Damals, es muss 2002 gewesen sein, gab es in einer ganz bestimmten Cornflakes-Packung Spy Fox in „Das Milchkartell“. Lose schackerte die Papierhülle der CD inmitten der süßen Flocken als nette Dreingabe mit herum. Etwas unbeholfen; wie hundert gelbe Tennisbälle auf einer Autoscooterfläche. Kinda deplatziert.
Weniger deplatziert ist freilich die Werbestrategie von Kelloggs, dadurch ihre zu zuckrigen Flakes mit vollerer Wirkung an Kids unter zehn Jahren zu verkaufen. Laut Pressemitteilung der Deutschen Diabetes Gesellschaft ist die aktuelle Zahl der Menschen mit einem dokumentierten Typ-2-Diabetes in Germoney auf 8,5 Millionen gestiegen (Stand 2021). Hinzu kommt eine Dunkelziffer von mindestens zwei Millionen weiteren Betroffenen. Auch in Zukunft wird mit einem Anstieg der Diabetesprävalenz gerechnet. Kommt vielleicht bald ein Spy Fox in „Das Zuckerkartell“? Wer weiß … Aber hier steht ja die Beilage der heimlichen Krankmacher im Rampenlicht. Also weiter im Text.
Kinder, packt eure Laser-Zahnbürsten aus und hämmert die eigene Kontur in die nächste Stahltür: Spy Fox legt in „Das Milchkartell“ einer Ziege das Handwerk, die sämtliche Kuhmilch auf der Erde vernichten und in aller Munde nur noch Ziegenkäse und Ziegenmilch sehen will. So und nicht anders sollten Cornflakes nämlich gegessen werden: mit Ziegen-, statt Kuhmilch. Ein ambitionierter Plan des Ziegenbösewichts Willi V. (Vau) Brecher. Was für ein cooler Name.
Dass er dabei seine eigenen Artgenossen auf Platz 1 der Opfer unbarmherziger Versklavung für Milchproduktion katapultieren möchte, spielt hingegen keine Rolle. Würde auch für ein Kinder Point & Click Adventure etwas zu weit gehen … Aber jetzt wird es ernst – Der Präsident und Hauptgeschäftsführer der Vereinigten Muhsaftwerke, Herr Ochs, gilt als vermisst. Obendrein sind sämtliche Milchvorräte stibitzt worden und alle weltweit übrigen Reserven bald verbraucht. Damn.
„Die Vorstellung, trockene Frühstücksflocken zu essen, ist schwer zu schlucken.“ (Zitat Spy Fox)
Nur Spy Fox kann die Welt vor einer Katastrophe bewahren. Hilf ihm dabei, Willi V. Brecher auf die Schliche zu kommen und die Ziegenrevolution zu stoppen. Dafür musst du auf die (fiktive) griechische Insel Acidophylus. Dort soll das geheime Quartier des Klischee-Schurken sein. Fun Fact: Lactobacillus acidophilus ist ein Bakterium, welches fermentierter Milch wegen seiner probiotischen Wirkung häufig zugesetzt wird. I see what you did there, Humongous Enternainment.
Mein junges Ich war von diesem Point & Click Adventure begeistert. Spy Fox wird über Mausklicks auf dem Bildschirm gesteuert und muss sich nach und nach Zugang zu der weiteren Spielwelt verschaffen. Dabei werden kleine Rätsel gelöst. Erst bestehen diese daraus, sich die Gunst der Inselbewohner:innen einzuheimsen und so weitere Informationen über das Komplott in Erfahrung zu bringen. Später geht es dann darum, die geheime Basis zu infiltrieren und das Verbrechensprozedere zu stoppen.
Behilflich sind dabei allerlei Spy-Gadgets, die Professor Quack für den Einsatz entworfen hat. In der geheimen Untergrundbasis lassen sich die smarten Spielereien abholen. Dort sitzt auch Monkey Penny, die euch bis dahin nur via Funk Anweisungen durchgegeben hat. Spätestens hier ist der parodierte James-Bond-Cast perfekt. Allgemein weist das Spiel überraschend viel Humor auf, welcher eher an Erwachsene als an Kinder adressiert ist. Das verpasst dem Nostalgietrip einen ganz neuen Spice. Der Humor ist äußerst trocken und ich liebe es.
Verkäufer Gilbert: „Mein Herr, ich glaube sie werden feststellen, dass wir noch wesentlich mehr zu bieten haben, außer Krimskrams […]“
Spy Fox: „Ausgezeichnet! Man weiß ja nie… Es könnte einen ja das unstillbare Bedürfnis nach bürgerlichem Konsumrausch übermannen.“
Der comicartige Grafik-Stil lässt die Charaktere und Spielwelt mit seinen bunten Farben förmlich strahlen. Schön ist auch die Überzeichnung der Ränder an einigen Stellen – wirkt authentischer. Auch die Synchronstimmen und Hintergrundmusik tragen ihren Teil zum Wohlfühlpaket bei und ergänzen die Erfahrung um eine angebrachte Audiokulisse.
Es gibt allerdings eine knackige Passage im Spiel: Das Kartenduell gegen Eberhardt W. (Punkt) Speckschwart. Holy Shit. Legenden besagen, dass der leitende Demon’s- und Dark Souls Entwickler, Hidetaka Miyazaki, sich von diesem Charakter besonders hat inspirieren lassen, um seine Spielidee ehrlich und ungeschönt rüberzubringen.
Bei dem kleinen Minispiel müsst ihr euer Gegenüber nach Karten fragen und bei einem Treffer könnte ihr diese zu euren passenden Karten hinzufügen. Ab vier Karten dürft ihr den Stapel dann abwerfen und das geht so lange, bis eine:r von euch gewinnt. Dabei ist das kurze Auflachen von Eberhardt W. (Punkt) Speckschwart bei einem Treffer und der darauffolgenden Komplettierung seines Stapels an obszöner Graumsamkeit nicht zu überbieten. Diese eine Sekunde raubt euch kurz den Atem und lange den Schlaf. Ihr gebt ihm im schlimmsten Fall also euren fast kompletten Stapel und er hat seinen daraufhin vollständig – wie gemein! Je nach Glück kann das Gewinnen des Spiels kurz und schmerzlos oder eher ausdauernd werden. Spaß macht es trotzdem irgendwie.
Eberhardt of Doomness ↑
In bester Point & Click Atmosphäre lässt sich das witzig und kecke Abenteuer in rund zwei Stunden lösen. Als Kind habe ich bestimmt 20 gebraucht; jedenfalls hat es sich so angefühlt. Der Spielfluss wird durch den schelmischen Spy Fox außerordentlich kurzweilig gestaltet und verzaubert mit eigenwilligem Charme auf ganzer Linie. Natürlich bin ich, was Spy Fox in „Das Milchkartell“ betrifft, durch meine Erfahrungen in jungen Jahren bereits vorgezeichnet. Beim erneuten Begegnen hatte ich jedoch auch außerhalb der Nostalgieblase durchaus meinen Spaß und denke, dass es allemal ein kleines, niedliches Abenteuer ist. Spielt es am besten mit Friends! Das kann ich echt empfeheln; vor allem bei Point & Click Adventures bereitet ein gemeinsames Erleben viel Freude und es passt super zum Spielprinzip wie ich finde. Es gibt übrigens zwei verscheidene Spielwege, sowie zwei verschiedene Enden! Dies wird via Zufall bei Spielbeginn festgelegt und je nachdem welche Variante ihr grade spielt, verändert sich der Weg zur Basis von Willi V. Brecher. Bei den Enden wird zwischen einem guten und einem noch besseren Szenario unterschieden. Also sogar Wiederholungswert, ohne eine zweite Cornflakes-Packung zu shoppen!
Solche Konzepte wie Spy Fox sie auslebt, sind in der heutigen Zeit dünn gesät. Jedenfalls habe ich lange kein ähnliches Abenteuer mehr angetroffen (aber ehrlich gesagt auch nicht direkt danach gesucht). Letztens hat sich jedoch eine kleine Reanimation dieses Genres in meine Bibliothek geschlichen und ich bin froh, endlich eine frische und moderne Windböe dieser Sparte gespürt zu haben. Höchstwahrscheinlich werde ich davon auch noch berichten, also stay tuned und bis bald 🐸
Spy Fox in „Das Milchkartell“ • Humongous Entertainment • 1997 • PC • Später auch Ports für Wii, Android, iOS, Playstation 4 und Switch